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„Es muss nicht leicht sein, der Auserwählte des auserwählten Volkes zu sein.“

Albert Einstein in einem Brief an Chaim Weizmann, Oktober 1923

Kurzbiographie: Chaim Weizmann

* 27. November 1874 Motol, nahe Pinsk (Weißrussland), † 9. November 1952 Rechovot, Israel

Chaim Weizmann, dessen Name untrennbar mit der Gründung des Staates Israel verbunden ist, wurde am 27. November 1874 als drittes von fünfzehn Kindern der jüdischen Eheleute Oizer und Rachel Weizmann in Motol, nahe Pinsk (Weißrussland) geboren. Der Vater war Holzhändler. Im Alter von vier Jahren besuchte er den traditionellen Cheder, eine jüdische Grundschule für Jungen ab dem 4. Lebensjahr. Als 11-Jähriger wechselte er in das Gymnasium in Pinsk, wo er 1892 das Abitur machte. In den Jahren auf dem Gymnasium zeigte sich bereits sein Talent für die Wissenschaft, hier besonders für die Chemie. Da russische Universitäten nur eine begrenzte Anzahl Juden zum Studium zuließen, ging er im selben Jahr nach Deutschland, um in Darmstadt am Polytechnischen Institut mit dem Chemie-Studium zu beginnen. Nach einigen Semestern wechselte er an die Königliche Technische Hochschule in Berlin, setzte sein Studium fort und begann mit der Arbeit an seiner Dissertation. In Berlin schloss er sich einem Kreis zionistischer Intellektueller an, die besonders von dem Auftreten des Schriftstellers und Politikers Theodor Herzl (1860-1904) sowie seiner Vision eines Judenstaates begeistert waren. Herzl galt als Begründer des politischen Zionismus, dessen Ziele er in seiner Schrift von 1896, „Der Judenstaat“ niedergelegt hatte. 1897, auf dem ersten Zionistischen Weltkongress in Basel – Weizmann nahm nicht teil – wurde Herzl zum ersten Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation (WZO) gewählt.

Im schweizerischen Freiburg, an der dortigen Universität, setzte Weizmann 1897 seine Studien fort. In dieser Zeit verstärkte sich sein Glaube an die Ideen des Zionismus. 1899 promovierte er in Chemie an der Universität Freiburg summa cum laude. In diesem Jahr war er Delegierter auf dem zweiten Zionistenkongress. 1901 wurde Weizmann Professor für Biochemie an der Universität Genf. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden die ersten Patente erteilt. In der zionistischen Bewegung wurde er zu einer bekannten Persönlichkeit. Nicht mehr mit allem einverstanden, was unter Herzls Führung geschah, unterstützte er die Gründung der Demokratischen Fraktion innerhalb der Zionistischen Organisation. Besonders lag ihm die hebräische Kultur am Herzen. So forderte er in dieser Zeit bereits die Gründung einer hebräischen Universität als spirituelles Zentrum des Zionismus. Immer häufiger stellte sich ihm aber die Frage: Chemie oder Zionismus?

Weizmann folgte 1904 einem Ruf an die Universität Manchester. In England heiratete er 1906 Vera Khatzmann. Mit ihr hatte er zwei Söhne, Benjamin und Michael. Durch seine Arbeit in der zionistischen Bewegung hatte er die Gelegenheit, den britischen Premierminister Arthur James Balfour (1848-1930) von der Idee des Zionismus zu überzeugen. 1910 wurde Weizmann britischer Staatsbürger und unterstützte während des Ersten Weltkrieges als Chemiker die britische Kriegsführung. Ihm gelang die Entwicklung für eine neue von Enzymen bewirkte Synthese für Aceton. Während der Kriegsjahre war er durch sein Engagement und seinen politischen Einfluss maßgeblich am Zustandekommen der Balfour-Deklaration vom 2. November 1917 beteiligt, in der die britische Regierung der Zionistischen Bewegung ihre Unterstützung zusicherte. In einem Brief des britischen Außenministers A. J. Balfour an den Zionistenführer Lord Rothschild (1868-1937) wurde die Gründung einer „nationalen Heimstätte“ für die Juden in Palästina zugesagt. Aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit wurde Weizmann 1918 Vorsitzender der Zionistischen Kommission und von der britischen Regierung nach Palästina gesandt. In der Hoffnung auf eine jüdisch-arabische Zusammenarbeit traf er sich mit dem Führer der arabischen Nationalisten, dem Emir Faisal I. (1883-1933). Aufgrund der weiteren Entwicklung in Palästina zerschlugen sich diese Hoffnungen aber schnell. Einer der Höhepunkte dieser Reise war die Grundsteinlegung für die Hebräische Universität in Jerusalem, deren Mitbegründer er war. Die Universität wurde aber erst am 1. April 1925 eröffnet. Als Leiter der zionistischen Delegation bei der Pariser Friedenskonferenz forcierte Weizmann 1919 beim Völkerbund das britische Mandat über Palästina. Gemeinsam mit Emir Faisal I. unterzeichnete er das Faisal-Weizmann-Abkommen. Im selben Jahr verließ er den britischen Staatsdienst. Auf der Londoner Zionistischen Konferenz wurde er 1920 zum Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation (WZO) gewählt, ein Amt, das er faktisch bereits innehatte. Dieses Amt behielt er bis 1931. Vier Jahre später wurde er wiedergewählt. Dieses Mal dauert seine Amtszeit bis 1946.

1921 kam es zur ersten Begegnung zwischen Chaim Weizmann und Albert Einstein. Gemeinsam reisten sie im April in die USA, um Spenden für die Hebräische Universität in Jerusalem zu sammeln. Kurt Blumenfeld (1884-1963), einer der führenden deutsch-jüdischen Zionisten, der Einstein auf die Reise eingestimmt hatte, sagte kurz vor der Reise zu Weizmann: „Einstein ist, wie Sie wissen, kein Zionist und ich bitte Sie, auch keinen Versuch zu unternehmen, ihn zum Anschluss an unsere Organisation zu bewegen.“ Einstein wurde auch später nie Mitglied einer zionistischen Organisation.

Mit Widerwillen nahm Weizmann 1922 das Churchill-Weißbuch zur geopolitischen Regelung im Nahen Osten hin. In diesem wurde die britische Verantwortung gegenüber einer nationalen jüdischen Heimstätte in Palästina neu festgelegt. Die britische Regierung wünschte nicht, dass Palästina so „jüdisch werde, wie England englisch sei“. Das Weißbuch bestätigte unter anderem das Recht der Juden auf Einwanderung, macht aber zur Bedingung, dass die Immigration das wirtschaftliche Potential des Landes nicht übersteigen sollte. 1929 wurde Weizmann zum Leiter der Jewish Agency gewählt, einer Institution, die die Interessen der in Palästina ansässigen Juden gegenüber der britischen Mandatsmacht vertrat.

Von London kommend, besuchte Weizmann am Mittwoch, dem 7. Oktober 1931, gemeinsam mit Lola Hahn-Warburg, der Tochter des Hamburger Bankiers Max Warburg, Albert Einstein in seinem Sommerhaus in Caputh. Ebenfalls Gäste bei Einstein an diesem Tag waren der Rechtsanwalt Charles Rosenbloom und seine Mutter Celia aus Pittsburgh, USA.

Einige Tage später, am Samstag, dem 10. Oktober, sprach Weizmann bei einer Veranstaltung der Berliner Zionistischen Vereinigung für Deutschland, im ausverkauften Bachsaal in der Lützowstraße in Berlin über das Thema „Judenfrage und Zionismus“.

In den folgenden Jahren widmete sich Weizmann wieder mehr seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Nach den arabischen Aufständen in Palästina veröffentlichte Großbritannien im Oktober 1930 das Passfield-Weißbuch. Darin forderte Passfield (1859-1947), eine gesetzgebende Körperschaft zu gründen und unterstützte die Ergebnisse des Hope-Simpson-Berichtes über die Verfügbarkeit und Kultivierung des Bodens. Was die umstrittene Frage der Einwanderung betraf, so sprach sich das Weißbuch gegen eine großzügige Politik gegenüber den Zionisten aus. Die Zionistische Bewegung organisierte daraufhin eine Kampagne gegen das Weißbuch. Der britische Premierminister Ramsay MacDonald (1866-1937) versprach Chaim Weizman in einem im Februar 1931 veröffentlichten Brief, das Weißbuch prinzipiell außer Kraft zu setzen. Dieser Brief veranlasste Weizmann, sein kurz vorher niedergelegtes Amt als Präsident der zionistischen Organisation wieder aufzunehmen. Bei der nächsten Wahl zum Präsidenten 1931 wurde er nicht wiedergewählt. In der Folgezeit unternahm er Reisen u. a. in die USA und nach Südamerika, um Geld für die zionistische Sache zu sammeln. Sehr intensiv widmete er sich auch der Rettung jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland. Die geretteten jüdischen Wissenschaftler versuchte er in dem von Freunden 1934 gegründeten Sieff Institut in Rechovot (Israel) unterzubringen. Auf einer außerordentlichen Sitzung des Vorstandes der Hebräischen Universität forderte er 1933 die Prüfung der Lehr- und Forschungsmöglichkeiten für jüdische Wissenschaftler. 1935 wurde er wieder Präsident der WZO und behielt dieses Amt bis 1946.

Im Mai 1939 wurde trotz seiner Appelle das MacDonald-Weißbuch veröffentlicht, das die in der Balfour-Deklaration von 1917 gegebenen Zusagen fast vollständig zurücknahm. Das Weißbuch bestimmte die britische Politik in Palästina bis 1947.

Auf dem 21. Zionistenkongress in Genf schien jegliche Hoffnung auf eine national jüdische Heimstätte zerstört. In seiner Abschlussrede sagte Weizmann: „Um uns wird es dunkel. […] wenn wir, wie ich hoffe, verschont bleiben, und unsere Arbeit fortgesetzt werden kann, wer weiß, vielleicht wird dann aus der Dunkelheit ein neues Licht auf uns scheinen. […]“

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges versicherte Weizmann der britischen Regierung die Unterstützung der jüdischen Bevölkerung Palästinas sowie der Juden insgesamt. Er forschte während des Krieges u. a. an hoch verdichtetem Benzin und auf dem Gebiet des künstlichen Gummis. Gemeinsam mit David Ben Gurion (1886-1973) begann er während des Krieges in den USA für einen jüdischen Staat in Palästina zu werben. Nicht zuletzt führte dieses Werben zu einer raschen Anerkennung des Staates Israel durch die USA. Nach Kriegsende erlitt er einen gesundheitlichen Zusammenbruch. Auf dem 22. Zionistenkongress wurde er 1946 als Präsident der WZO nicht wiedergewählt. Dennoch blieb er einer ihrer wichtigsten Sprecher. 1947 wurde die Palästinafrage den Vereinten Nationen übertragen und unter dem Eindruck des Holocaust beschlossen, das Land zu teilen. Daraufhin verkündeten die Briten ihre Absicht, das Palästinamandat aufzugeben. Im Oktober 1947 sprach Weizmann vor dem Komitee für Palästina der Vereinten Nationen für die jüdische nationale Sache.

Mit dem amerikanischen Präsidenten Harry Truman (1884-1972) diskutierte er im März 1948 die Wichtigkeit der Errichtung des jüdischen Staates. Seine Bemühungen führten zweifellos zu einer rascheren Anerkennung des Staates Israel durch die USA. Schon einige Wochen später wurde er am 17. Mai zum Präsidenten des Provisorischen Staatsrates ernannt. Am 16. Februar 1949 war es dann so weit. Chaim Weizmann wurde von der Verfassungsgebenden Versammlung zum ersten Präsidenten des Staates Israel gewählt. Ministerpräsident und Verteidigungsminister wurde David Ben Gurion. Im November wurde das 1934 errichtete Sieff Institut in Rechovot in Weizmann Institut für Wissenschaften (The Weizmann Institute of Science), eine private Hochschule für theoretische und angewandte Naturwissenschaften, umbenannt.

1951 wurde der herzkranke Weizmann für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt. Nicht ganz ein Jahr später starb Chaim Weizmann am 9. November 1952 in Rechovot. Er wurde im Garten seines Hauses, der heute Teil des Weizmann Institutes ist, beigesetzt. Er hinterließ seine Frau Vera und seinen älteren Sohn Benjamin. Michael, sein jüngerer Sohn, war im Zweiten Weltkrieg gefallen. Nach Weizmanns Tod schlug David Ben Gurion Albert Einstein als neuen Präsidenten vor, der es aber ablehnte, Weizmann nachzufolgen. Als Nachfolger von Chaim Weizmann wurde der israelische Politiker Jitzchak Ben Zwi (1884-1963) zum zweiten Präsidenten des Staates Israel gewählt.