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Biografie

„Ich lade Sie hiermit freundlich ein, dass wir zusammen die endgültigen Versuche mit dem Maschinchen machen & die Abhandlung zusammenstöpseln.“

Albert Einstein in einem Brief an Conrad Habicht, 4. März 1910

DAS „MASCHINCHEN“

Vermutlich durch seinen Vater (Hermann Einstein, 1847-1902) und durch seinen Onkel Jakob (Jakob Einstein, 1850-1912), die lange Zeit Inhaber einer elektrotechnischen Firma waren, wurde bei Albert Einstein bereits in der Jugend das Interesse an technischen Aufgabenstellungen sowie deren Lösungen geweckt.

Dieses Interesse zeigt sich an den unterschiedlichsten technischen Projekten, mit denen sich Einstein über die Jahre beschäftigte und die in einigen Fällen zur Vergabe von Patenten führten, aber immer gemeinsam mit einem Partner.

Schnittzeichnung
Einsteins „Maschinchen“
Quelle: Physikalische Zeitschrift 11 (1910), Seite 533

Bei einer dieser technischen Aufgabenstellungen handelte es sich um das von Einstein in seinen Briefen oft liebevoll als „Maschinchen“ bezeichnete Gerät. Gemeint ist hier ein „Elektrostatischer Potentialmultiplikator“ mit dem es möglich sein sollte, kleinste Spannungsdifferenzen von der Größenordnung eines halben Millivolts messen zu können, und zwar durch die Kombination eines „Luftkondensators aus beweglichen ineinander geschobenen Plattensystemen mit einem Multiplikator“. Die Verstärkung der sehr kleinen Anfangsspannung wurde „mittels elektrostatischer Induktion und elektrometrischer Messung der Endspannung“ realisiert.

Die Grundüberlegungen Einsteins zur Entwicklung des „Maschinchens“ gehen auf zwei seiner Arbeiten aus dem Jahre 1905 zurück. Zum einen erhoffte er sich von seinem „Maschinchen“ eine Überprüfung der von ihm gemachten Vorhersagen zur Theorie der Brownschen Bewegung und zum anderen wollte er über die Erforschung der Radioaktivität die Äquivalenz von Masse und Energie (E=mc²) überprüfen.

Einstein publizierte im April 1908 im Heft 7 der Physikalischen Zeitschrift auf den Seiten 216-217 seine Erfindung in einen Artikel unter dem Titel „Eine neue elektrostatische Methode zur Messung kleinster Elektrizitätsmengen“, der auch erste prinzipielle Darstellungen des „Maschinchens“ zeigte. In dem Artikel schreibt Einstein u. a.: „… Da die Erhöhung der Empfindlichkeit der elektrostatischen Meßmethoden von Bedeutung ist für die Erforschung der Radioaktivität, hoffe ich, daß sich ein Physiker für die Sache interessieren wird. Meine weiteren Überlegungen über den Gegenstand würde ich demselben gerne mitteilen. Auf den vorliegenden Plan wurde ich geführt durch Nachdenken darüber, wie die von der Molekulartheorie der Wärme geforderten, der Brownschen Bewegung analogen spontanen Ladungen von Leitern konstatiert und gemessen werden könnten. Auch dieses Problem hoffe ich mit dem geschilderten Plane seiner Lösung um einen Schritt näher gebracht zu haben.“

Einstein besprach seine Ideen schon 1907 mit den Brüdern Conrad (1876-1958) und Paul Habicht (1884-1948), die bereits nach wenigen Wochen gemeinsam mit ihrem Mechaniker einen ersten, noch mit Mängeln behafteten Prototypen bauten. Im August 1907 schrieb er nach Bern in einem Brief an die Beiden: „Liebe Habichte! Ich bin nicht wenig erstaunt über die rasende Schnelligkeit, mit der Ihr das Maschinchen gemacht habt. Sonntag werde ich erscheinen. …“ In den folgenden Jahren wurde viel Zeit auf die Konstruktion und den Bau des „Maschinchens“ verwendet. Erfolge und Misserfolge wechselten einander ab. So schreibt Paul Habicht im Oktober 1908 an Einstein: „… Ihr Maschinchen ist fertig ich bringe aber bei Schaltung auf Selbsterregung keinen Funken heraus. Also ist etwas nicht im Blei. … Möglicherweise isoliert der Siegellack nicht oder ist mit einer leitenden Schicht überzogen. Wir werden ja dann sehen. …“ Einstein berichtete im April 1909 in einem Brief an Conrad Habicht positive Ergebnisse seiner Untersuchungen: „… Ich werde bis Samstag ein Elektroskop haben, das 1 Volt zu schätzen gestattet. Das Maschinchen übersetzt 2* 105 mal. …“ Fünf Monate später, im September 1909 fragte er Conrad in einem Brief: „… Wie gehts mit dem Maschinchen? Wo fängt der Teufel an?“ und im Dezember 1909 heißt es in einem Brief an Conrad: „… Paul bringt das Maschinchen gut in Stand. …“ Im März 1910 schreibt er an Conrad: „… Ihr habt nun das Maschinchen in hohem Masse vervollkommnet; hoffentlich werdet Ihr Erfolg damit haben. …“

In Verbindung mit der Entwicklung des „Maschinchens“ hatte Einstein u. a. auch Kontakt zu den Physikern Joseph Kowalski (1866-1927) und Albert Gockel (1860-1927), beide von der Universität Fribourg in der Schweiz, sowie zu Edouard Guillaume (1881-1959), der zu der Zeit in Bern am dortigen Patentamt als technischer Experte II. Klasse tätig war.

1 Elektrostatischer Potentialmultiplikator

Im März 1910 testeten Einstein und die Habicht Brüder das „Maschinchen“ und entwarfen gemeinsam eine technische Beschreibung. Hierzu schrieb Einstein am 4. März an Conrad: „… Ich lade Sie hiermit freundlich ein, dass wir zusammen die endgültigen Versuche mit dem Maschinchen machen & die Abhandlung zusammenstöpseln. Die Sache muss nun einmal erledigt werden, dass Euch nicht gar ein anderer zuvorkomme. …“ Die so „zusammengestöpselte“ Abhandlung erschien in der Physikalische Zeitschrift 11 (1910) auf den Seiten 532-535 mit dem Titel „Elektrostatischer Potentialmultiplikator nach A. Einstein“. Als Autoren werden nur Conrad und Paul Habicht genannt.

Im Dezember 1911 wurde der Berliner Physikalischen Gesellschaft (später Deutsche Physikalische Gesellschaft, DPG) ein Prototyp des Maschinchens von Paul Habicht erfolgreich vorgeführt. Einstein war optimistisch und von dem Erfolg des „Maschinchens“ überzeugt. Einige Tage später schrieb er an seinen Freund den Mediziner Heinrich Zangger (1874-1957): „… Habicht hielt neulich vor der Berl. phys. Gesellsch. einen Vortrag mit Exp. über das Maschinchen und hatte glänzenden Erfolg damit. Er hat nun den Widerstand gegen diese Sache gebrochen; ich glaube, dass das Maschinchen bald das empfindliche Quadranten & Fadenelektrometer verdrängt haben wird. …“ Es sollte aber anders kommen.

Letztlich setzte sich der elektrostatische Potentialmultiplikator, Einsteins „Maschinchen“, aber nicht durch. Es wurden bis in die 1930er Jahre nur wenige Exemplare in der Werkstatt von Paul Habicht in Schaffhausen gebaut und verkauft. Die Handhabung des „Maschinchens“ stellte sich als unpraktikabel heraus. Physiker verwendeten andere, effizientere und leistungsfähigere Instrumente für ihre Zwecke. Ein Exemplar, erworben um 1920 von dem deutschen Physiker Friedrich Paschen (1865-1947), findet sich heute im Physikalischen Institut der Universität Tübingen.

2 Typenschild des elektrostatischen Potentialmultiplikators

Bildernachweis:
Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. Torsten Hehl, Tübingen: Abb. 1, 2

Literaturnachweis:

Albert EinsteinEine neue elektrostatische Methode zur Messung kleinster Elektrizitätsmengen
Physikalischen Zeitschrift 7 (1908) Seite 216-217
1908
Conrad Habicht, Paul HabichtElektrostatischer Potentialmultiplikator nach A. Einstein
Physikalische Zeitschrift 11 (1910), Seite 532-535
1910
Ann M. Hentschel, Gerd GraßhoffAlbert Einstein „Jene glücklichen Berner Jahre“Bern 2005
Hrsg. John Stachel, u.a.The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 2Princeton 1989
Hrsg. Martin J. Klein, u.a.The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 5Princeton 1993
József IllyThe Practical Einstein: Experiments, Patents, InventionsBaltimore 2012
Friedemann RexEinsteins MaschinchenTübingen