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Biografie

„Einer muss der erste sein
Der sich in dies Buch trägt ein.
Darum, ohne viel zu grübeln,
Ob es Würd’gere mir verübeln,
Und trotz der mir eigenen Klaue
setze ich an diese Stelle
meinen Namen hin M. Laue“

Caputher Gästebucheintrag von Max von Laue (1879-1960), 4. Mai 1930

EINSTEINS CAPUTHER GÄSTEBUCH

Kurz nach dem Einzug von Albert Einstein und seiner Frau Elsa in ihr Sommerhaus in Caputh im September 1929, erhielten sie von ihren Nachbarn, dem Regierungsbaumeister Adolf Stern und seiner Frau Elsbeth als Begrüßungsgeschenk ein Gästebuch. Auf der ersten Seite hatten sie folgende Widmung geschrieben:

„Dem großen Nachbar in Verehrung gewidmet vom Hause Stern – Caputh, September 1929.“

1 Umschlag von Einsteins Caputher Gästebuch

Das Gästebuch hatte die Abmessungen von ca. 34,5 cm x 23 cm x 2 cm. Auf dem hellen, aus dickem Pergament bestehenden Umschlag, stand in Goldprägung:

„GÄSTEBVCH VOM HAVSE EINSTEIN“.

Von den ca. 240 weißen Innenseiten war nur die erste mit der oben genannten Widmung von Adolf und Elsbeth Stern beschrieben.

Das Original des Gästebuchs befindet sich heute im Leo Baeck Institut in New York.

Bildnachweis:
Mit freundlicher Genehmigung des Leo Baeck Instituts, New York
AR136 Albert Einstein Collection
Albert Einstein Caputh House Guestbook 1929-1932 (ROS12)

Nun führten die Einsteins in ihrem Sommerhaus auch ein Gästebuch in das sich ihre Gäste eintragen sollten. Dies hatte nach Wunsch des Hausherrn in Versform zu geschehen. Aus diesem Grund schrieb er auf die dritte Seite des Gästebuches, neben einer von ihm angefertigten kleinen Zeichnung, die folgende „Verordnung“:

„Prosa verboten“

Verordnung

Männer Weib und Kinderlein
Tragt Euch in dies Büchlein ein
Aber nicht mit plumpen Worten
Wie man mauschelt allerorten
Nur mit Verschen fein und zart
So nach heitrer Dichter Art
Fürcht Dich nicht und plag Dich nur
Kommst schon auf die gute Spur!

Im Namen der Caputher Guts-Verwaltung
der Hausherr.“

2 Albert Einsteins Sommerhaus in Caputh, 1929

In seinem Caputher Sommerhaus empfing Albert Einstein sehr viele Gäste, zu denen u. a. Wissenschaftler, Intellektuelle, Künstler, Schriftsteller und Politiker gehörten. Aber auch Familienmitglieder, wie seine Schwester Maja und seine Söhne Hans Albert und Eduard zählten zu den Gästen draußen in Caputh. So lud Einstein seinen Sohn Eduard im März 1931 mit folgenden Worten ein:

„Sei ein gutes faules Tier – Streck alle Viere weit von Dir. Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt Und auf Papa, wenn Dirs gefällt.“

Trotz der vielen Gäste haben sich nur 20 Personen in das Gästebuch eingetragen. Manche, wie vom Hausherrn gewünscht mit einem kleinen „Verschen“, ein anderer mit einer kleinen Zeichnung, einer mit Musiknoten und einige nur mit Datum und Unterschrift. Das sich nur so wenige Gäste in das Gästebuch eingetragen haben lag vielleicht daran, dass das Buch im Haus an einer „ungünstigen“ Stelle platziert war und nur, wenn man daran dachte, es zur Eintragung hervor geholt wurde.

Der erste Eintrag eines Gastes vom 4. Mai 1930 stammt von Einsteins Freund, dem deutschen Physiker und Nobelpreisträger Max von Laue. Dieser „Gedicht“ (siehe oben) schrieb von Laue auf die selbe Seite auf der Einstein seine Verordnung geschrieben hatte. Der dritte Eintrag auf dieser Seite stammt von dem indischen Schriftsteller Rabindranath Tagore der Einstein am 14. Juli 1930 draußen in Caputh besuchte. Tagore übersah wohl den Wunsch des Hausherren indem er nur seinen Namen und das Datum schwungvoll unten auf die Seite schrieb.

Auf der folgenden Seite des Gästebuches wurde ein „Verschen“ von den Eheleuten Anton und Adele Macholl geschrieben. Die Bekanntschaft von Adele Macholl und Elsa Einstein soll auf einen gemeinsamen Jugendfreund zurückzuführen sein. Das „Machollsche Ehepaar“ besuchte Elsa und Albert Einstein am 19. Juli 1930.

„Höhenlage, Wind und Sonne,
Blick in Ferne – Augenwonne:
Alles hell und luftig = heiter.
Aussen, innen, bleib es weiter!
Dieses wünscht Euch Jahr für Jahr
das Machollsche Ehepaar.“

Unten auf der Seite befindet sich der Eintrag des schweizerischen Musikers Edwin Fischer, der am 24. September 1931 unter einige Noten von W. A. Mozart schrieb:

„Eine Fuge, bei der man nicht merkt dass es eine ist.“

Direkt darunter folgt noch der Eintrag von Toni Mendel, einer Freundin Einsteins, ebenfalls vom 24. September 1931. Sie schrieb:

„Heute ham mir keine Händl
Ob ich gleich die Toni Mendel“

3 Fünfte Innenseite aus Einsteins Caputher Gästebuch

Auf der folgenden, hier gezeigten fünften Seite des Gästebuches haben sich folgende Gäste eingetragen:

Der deutsche Maler Hermann Struck besuchte Einstein am 7. August 1931 und skizzierte Caputh, aus der Sicht von Einsteins Terrasse, in das Gästebuch. Der nächste Eintrag stammte von Celia Rosenbloom, der Ehefrau von Sol Rosenbloom der über sein Engagement für eine Universität in Jerusalem mit Einstein Verbindung hatte, und ihrem Sohn Charles aus Pittsburgh, USA. Sie waren am selben Tag in Caputh wie der aus London angereiste israelische Politiker Chaim Weizmann und Lola Hahn-Warburg, der ältesten Tochter des Bankiers Max Warburg. Sie alle hinterließen nur ihre Unterschrift und das Datum des Besuchs, es war der 7. Oktober 1931.

Anders der deutsche Schriftsteller und Theaterkritiker Alfred Kerr. Am 4. September 1932 schrieb er in das Gästebuch:

„Mein Wohlgefühl war heute grenzenlos,
doch auch mein Schreck –
der Herr des Hauses ist zu groß,
da bleibt mir, dichterisch, die Sp…. weg.“

Der letzte Besucher, der sich auf dieser Seite eintrug, war der vierzehnjährige amerikanische Geiger Ruggiero Ricci der Einstein am 13. September 1932 besuchte. Er schrieb in bemühter Schönschrift:

„In rememberence of a few wonderful moments“

Rätselhaft auf dieser Seite ist ein Eintrag am linken unteren Rand. Dort findet sich eine Notiz von Einstein:

„Fuga der VI. Solo Sonate von Joh. S. Bach.“

Bildnachweis:
Mit freundlicher Genehmigung des Leo Baeck Instituts, New York
AR136 Albert Einstein Collection
Albert Einstein Caputh House Guestbook 1929-1932 (ROS12)

Am 24. September 1932 besuchte der österreichische Dirigent Erich Kleiber gemeinsam mit seiner Frau Ruth die Einsteins in Caputh. Sie schrieben auf die sechste Seite des Gästebuches:

„- – – – – gewonnen
–   – – genommen
Wir haben sogar Briefe gelesen,
Die anderen Leuten verboten gewesen!
Mit herzlichem Dank“

 

Einige Tage später, am 29. September 1932, war Margarete Herrmann, einer Musikerin die nach Aussage von Einsteins Sekretärin Helen Dukas gelegentlich mit Einstein musizierte, zu Gast. Sie schrieb unter den Eintrag von Erich Kleiber ins Gästebuch:

„Man weicht der Welt nicht sicherer
aus, als durch die Kunst, und man
verbindet sich nicht sicherer mit
ihr, als durch die Kunst. (Göthe)

In dankbarer Erinnerung an
manches gemeinsame Musicieren“

 

Unten auf der sechsten Seite findet sich noch der Eintrag des deutschen Mediziners Leopold Lichtwitz, der am 23. Oktober 1932 bei Einsteins draußen in Caputh folgendes ins Gästebuch schrieb:

„Ich bin mit meinen Hunden hergekommen
Und dabei kam es raus und ward entdeckt:
Die Hunde haben sich sehr schlecht benommen.
Vor’m Hausherrn haben Hunde nicht Respekt.“


Auf der letzten beschriebenen Seite, der siebten des Gästebuches befinden sich zwei Einträge. Der erste ist von dem deutschen Soziologen und Nationalökonomen Franz Oppenheimer. Er schrieb am 21. November 1932 folgendes in das Gästebuch:

„Was soll ich mir lang das Gehirn zerkrachen?
So gut wie GOETHE kann ich’s nicht machen:

‚ Weite Welt und breites Leben,
Langer Jahre redlich Streben,
Stets geforscht und stets gegründet,
Nie geschlossen, oft geründet,
Aeltestes bewahrt mit Treue,
Freundlich aufgefasst das Neue,
Heitrer Sinn und reine Zwecke:
Nun, man kommt schon eine Strecke!‘

Das gilt auch für Andere allein,
Sie müssen – Genies wie der Wolfgang sein.“

Zufälligerweise stammt der erste und letzte Eintrag von Einsteins Freund Max von Laue. Bei seinem zweiten Eintrag in das Gästebuch schrieb er am 29. November 1932:

„Der Einstein ist ein grosser Mann
Die ganze Welt weiss, was er kann
Die grösste Leistung kennt sie nicht:
Er brachte mich (!) zum ersten Gedicht!!
(siehe Seite 1)                                      
                         29.11.32        M. Laue.“ 

Mit diesem Eintrag endet das Caputher Gästebuch von Albert und Elsa Einstein. Einige Tage später, am 6. Dezember, verließen beide Caputh, um am 10. Dezember 1932 von Antwerpen aus mit dem Schiff nach Kalifornien, USA zu fahren. Bedingt durch die politischen Machtverhältnisse und die damit verbundenen Geschehnisse im Nazi-Deutschland in der Folgezeit hat Albert Einstein danach nie wieder deutschen Boden betreten.

Liste der Personen die sich in das Gästebuch eingetragen haben:

 September 1929Adolf und Elsbeth SternRegierungsbaumeister, Einsteins Nachbarn
    
Sonntag4. Mai 1930Max von LaueDeutscher Physiker
Montag14. Juli 1930Rabindranath TagoreIndischer Dichter und Philosoph
Samstag19. Juli 1930Anton und Adele Macholl 
    
Freitag7. August 1931Hermann StruckDeutscher Maler
Donnerstag24. September 1931Edwin FischerSchweizerischer Pianist und Dirigent
Donnerstag24. September 1931Toni Mendel 
Mittwoch7. Oktober 1931Celia und Charles Rosenbloom 
Mittwoch7. Oktober 1931Chaim WeizmannIsraelischer Politiker
Mittwoch7. Oktober 1931Lola Hahn-Warburg 
    
Sonntag4. September 1932Alfred Kerr, urspr. Alfred KempnerDeutscher Schriftsteller und Theaterkritiker
Dienstag13. September 1932Ruggiero RicciAmerikanischer Geiger
Samstag24. September 1932Erich und Ruth KleiberÖsterreichischer Dirigent
Donnerstag29. September 1932Margarete Herrmann 
Sonntag23. Oktober 1932Leopold LichtwitzDeutscher Mediziner
Montag21. November 1932Franz OppenheimerDeutscher Soziologe und Nationalökonom
Dienstag29. November 1932Max von LaueDeutscher Physiker

Es bleibt noch der Versuch die Frage zu klären wie das Gästebuch, das lange Zeit als verschollen galt, von Caputh nach New York, ins dortige Leo Baeck Institut gelangt ist, wo es sich seit Mitte oder Ende der 80Jahre befindet. Es ist nicht wahrscheinlich, dass Einstein im Dezember 1932 das Gästebuch mit auf seine Reise in die USA genommen hat. Demnach ist es in Caputh geblieben. Wahrscheinlich hat dann Rudolf Kayser, der Ehemann von Einsteins ältester Stieftochter Ilse, das Buch aus Caputh „gerettet“ und mit anderem Umzugsgut in die USA zu Einstein geschickt. Vielleicht lag es dann viele Jahre unberührt in Einsteins Haus in Princeton in der Mercer Street 112. Nach Einsteins Tod könnte Helen Dukas, seine Sekretärin und Nachlassverwalterin, Jahre später das Gästebuch an das Leo Baeck Institut in New York weitergegeben haben. Evtl. gelangte es aber auch erst nach dem Tod von Helen Dukas im Jahre 1982 an das Leo Baeck Institut. Eine andere Möglichkeit ist die, dass das Gästebuch bei Einsteins Stieftochter Margot blieb und nach ihrem Tod, im Jahre 1986, an das Leo Baeck Institut weitergegeben wurde.

2008 kam das Originalgästebuch für einige Monate zurück nach Caputh. Dort wurde es im Rahmen des Themenjahres „Provinz und Metropole | Metropole und Provinz“ von Kulturland Brandenburg der Öffentlichkeit präsentiert. Es war in der Dauerausstellung zur Geschichte des Einsteinschen Sommerhauses „Einsteins Sommeridyll in Caputh“ zu sehen. Heute findet sich dort ein Faksimile des Buches. Des weiteren informiert eine Dokumentation auf Ausstellungstafeln über die Biographien derjenigen Gäste, die sich in das Gästebuch eingetragen haben.

Bildernachweis:

Mit freundlicher Genehmigung des Leo Baeck Instituts, New York,
AR136 Albert Einstein Collection; Albert Einstein Caputh House Guestbook 1929-1932 (ROS12): Abb. 1, 3

Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Konrad-Wachsmann-Archiv, Signatur: KWA-28-8/1: Abb. 2

Literaturnachweis:

Erika BrizkeEinstein in Caputh (Hundert Autoren für Einstein)Weinheim 2005
Michael GrüningEin Haus für Albert EinsteinBerlin 1990