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Die Sternwarte möge ein Haus sein,
“von dem aus immer neues Licht hinausstrahlen und immer neue
Erkenntnisse ihren Weg zu jedem einzelnen im Volke finden mögen.“

Friedrich Simon Archenhold, Das Weltall 9, 1908/09

Kurzbiographie: Friedrich Simon Archenhold

* 2. Oktober 1861 Lichtenau / Westfalen, † 14. Oktober 1939 Berlin


Der Astronom Friedrich Simon Archenhold wurde am 2.10.1861 in Lichtenau / Westfalen geboren. Nach erfolgreichem Abschluss der Realschule 1. Ordnung (heute Ostendorf-Gymnasium) in Lippstadt studierte er von 1882-1887 in Berlin und Straßburg.

Durch Förderung seines ehemaligen Professors, Wilhelm Foerster (1832-1921), wurde Archenhold 1889 erster Astronom der Berliner Gesellschaft Urania. Diese von Foerster 1888 mitgegründeter Gesellschaft hatte es sich zur Aufgabe gemacht wissenschaftliche Erkenntnisse auch einem Laienpublikum zugänglich zu machen. Durch den starken Einfluss von Foerster wurde bei Archenhold der Grundstein für sein späteres Streben nach öffentlicher Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Ergebnisse gelegt. Auch war es Wilhelm Foerster, der ein Jahr später Archenhold als Mitarbeiter an die Berliner Sternwarte, dessen Direktor er war, holte. Hier gelang Archenhold im Oktober 1891 die Entdeckung des Perseus-Nebels, die er in der anerkannten Fachzeitschrift Astronomische Nachrichten unter dem Titel, „Ein ausgedehnter Nebel bei ξ Persei“ publizierte.

1 Friedrich Simon Archenhold, 1931

Auf Grund nicht ausreichender technischer Mittel für seine Arbeit, so wollte der Herausgeber der Astronomischen Nachrichten den Archenholdschen Nebel nicht als „neu“ gelten lassen, trat Archenhold 1893 u. a. für den Bau eines Riesenfernrohrs ein. Auf Grund seiner Planungen und im Zuge der Vorbereitungen für die Berliner Gewerbeausstellung (1896) entstand das Riesenfernrohr mit einer Brennweite von 21m! Finanziert wurde dieses Projekt zum Teil durch Spenden. Am 1. Mai 1896 wurde die Berliner Gewerbeausstellung mit dem aber noch nicht fertig gestellten Riesenfernrohr eröffnet. Endgültig fertiggestellt wurde es dann unter der Leitung von Archenhold erst im September 1896.

Als Folge des großen Besucherinteresses aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten wurde nach der Gewerbeausstellung beschlossen, das Riesenfernrohr sowie das umgebende Holzgebäude im Treptower Park zu belassen. Dies war die Geburtsstunde der Volkssternwarte im Herbst 1896, die damals Treptow-Sternwarte genannt wurde und 1946 in Archenhold-Sternwarte umbenannt wurde, deren Direktor Archenhold von 1896–1931 war.

1898 wurde der Verein Treptow-Sternwarte e. V. gegründet. Dieser Verein führte die Sternwarte unter dem Vorsitz von Archenhold. Dadurch war er auch für die Finanzierung und den Betrieb der Sternwarte verantwortlich. Neben einer intensiven Forschungsarbeit, ein besonderer Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Forschung bildete die Sonne, hielt Archenhold viele Vorträge in der Sternwarte und hatte 1912 die Idee, Filme als Medium für die Wissensvermittlung einzusetzen. 1912 versuchte er in einem Brief den Berliner Magistrat davon zu überzeugen, das es beim Besuch von Schulklassen in der Sternwarte von Vorteil wäre, den Schülern die zu vermittelnde Informationen auch in Form von bewegten Bildern, d. h. mittels Kinematographie, nahe zu bringen. Trotz Absage des Magistrats gab Archenhold nicht auf und suchte nach neuen Lösungswegen. So gründete er am 31. März 1913 die „Kinematograhische Studiengesellschaft e. V.“ u. a. mit dem Ziel, die „…Herstellung von wissenschaftlichen Unterrichts- und Kulturfilmen zu fördern …“.

Der das Fernrohr zunächst umgebende Holzbau wurde 1908/09 durch das heutige Gebäude ersetzt. Am 17. Mai 1908 wurde der Grundstein zum Neubau der Sternwarte gelegt, der am 4. April 1909 eingeweiht wurde. Archenhold entfaltete in der von dem Verein getragenen Sternwarte eine lebhafte Veranstaltungs- und Publikumstätigkeit. Im Mai 1910 hielt er einen Vortrag über den Halleyschen Kometen. Dieser periodische Komet, benannt nach dem englischen Mathematiker und Astronom Edmond Halley (1656-1742) hat eine Umlaufzeit um die Erde von etwa 76 Jahren.

2 Neubau der Sternwarte mit Riesenfernrohr, 1909

Ab 1900 gab er die Zeitschrift Das Weltall heraus, die bis 1944 erschien (nach 1936 aber nicht mehr unter der Leitung von Archenhold). Er unternahm viele Reisen, so nach Algerien, England, Schottland, Spanien und Pittsburgh (USA) um nur einige zu nennen. Eine der Reisen führte ihn 1902 auf die Insel Ven um sich dort die Überreste der Sternwarte des dänischen Astronoms Tycho Brahe (1546-1601) anzusehen. Zwei Jahre später traf er auf seiner Reise durch England und Schottland den amerikanischen Großindustriellen Andrew Carnegie (1835-1919), der Archenhold bei seinen Forschungen finanziell unterstützte. Einige der Reisen dienten ihm dazu Sonnenfinsternisse zu beobachten und über die Natur der Sonnenflecken zu forschen. 1907, auf seiner Reise durch die USA traf er unter anderen auch mit dem amerikanischen Erfinder Thomas Alva Edison (1847-1931) und dem kanadischen Astronom und Mathematiker Simon Newcomb (1835-1909) zusammen. Die Western Universität in Pennsylvania verlieh ihm die Ehrendoktorwürde.

Bedingt durch die breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit der Sternwarte und für die Forschungsarbeit war der Aufbau einer astronomischen Fachbibliothek und eines astronomischen Museums in den Räumen der Sternwarte ein wichtiges Anliegen für Archenhold. So waren in der Bibliothek u. a. fast alle astronomischen Bücher des 19. Jahrhunderts lückenlos vorhanden, wie auch die Standardwerke der Geschichte der Astronomie. Ähnlich war es mit Fachzeitschriften und populärwissenschaftliche Büchern.

Obwohl Archenhold einen großen Teil des öffentlichen Vortragsprogramms selbst durchführte, konnte er zahlreiche bekannte Wissenschaftler und Forscher zu Vorträgen in der Sternwarte gewinnen. Zu den Wissenschaftlern und Forschern die Vorträge hielten gehörten u. a. der Geologe Alfred Wegener (1880-1930), die Polarforscher Roald Amundsen (1872-1928) und Fridtjof Nansen (1861-1928) und der Raumfahrtpionier Hermann Oberth (1894-1989). Der bedeutendste Gelehrte war zweifellos der Physiker Albert Einstein (1879-1955), der am 2. Juni 1915 seinen ersten öffentlichen Vortrag zur Relativitätstheorie hielt.

Als Kriegsgegner sympathisierte Archenhold mit dem 1914 gegründeten Bund Neues Vaterland. 1925 wurde er Geschäftsführer der Panterra – Gesellschaft für internationale Projekte friedlicher Großforschung, mit dem 1. Vorsitzenden Professor Wolfgang Kapp (1858-1922) und dem 2. Vorsitzenden, dem Raketenkonstrukteur Rudolf Nebel (1894-1978). Kurz nach dem Machtantritt der Nazis wurde die Gesellschaft verboten.

Zwecks effektiverer Nutzung und zur Erhöhung der Besucherzahlen und der damit verbundenen Finanzierung der Sternwarte suchte Archenhold immer wieder nach neuen Ideen. So z. B. seine Idee der „Treptower Marsausstellung“ von 1926/27. Der Anlass zu diesem Projekt, bzw. der Ausstellung war die günstige Annäherung des Planeten Mars an die Erde (Marsopposition). Die Ausstellung, die am 7. November 1926 eröffnet wurde, erfuhr einen derart regen Zuspruch, dass diese um drei Monate verlängert wurde.

Am 17. Juli 1928 wurde Archenhold Ehrenvorsitzender des Berliner Flugvereins, der sich der Aufgabe verschrieben hatte, „das gesamte Flugwesen in jeder Richtung zu fördern“. Im Jahre 1931, zu seinem 70. Geburtstag, legte Archenhold das Amt des Direktors der Sternwarte nieder und übergab es an seinen Sohn Günter Archenhold (1904-1999). 1936 wurde die jüdische Leitung der Sternwarte für die Nazis untragbar. Archenhold und seinem Sohn Günter wurde untersagt, die Zeitschrift Das Weltall weiter herauszugeben. Günter Archenhold wurde als Direktor der Sternwarte abgelöst. Es gelang ihm, nach Zürich zu flüchten, wo er an der dortigen Universität promovierte. 1939 emigrierte er nach England.

Friedrich Simon Archenhold starb am 14. Oktober 1939 kurz nach seinem 78. Geburtstag in Berlin. Mit dem Machtantritt der Nazis begann auch die Vertreibung seiner jüdischen Familie. Archenholds Frau und Mitarbeiterin Alice und seine Tochter Hilde kamen im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben. Die Söhne Günter und Horst konnten nach England emigrieren.

Bildernachweis:
Mit freundlicher Genehmigung der Archenhold-Sternwarte Berlin-Treptow: Abb. 1, 2

Literaturnachweis:

Dieter B. Herrmann

Blick in das Weltall
Die Geschichte der Archenhold-Sternwarte

Berlin 1994