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Biografie

„[…] und erst das Segelschiff, das mir die Hochfinanz geschenkt hat! Du wirst schwelgen, wenn Du (hoffentlich) nächstes Jahr kommst.“

Albert Einstein an seine Schwester Maja, 1929

ALBERT EINSTEINS „TÜMMLER“

Im August 1929 schrieb Elsa Einstein aus Caputh in einem Brief an Einsteins Schwester Maja: „[…] Unser Schiff ist herrlich; Albert hat seinen eigenen Landungssteg am Garten, er genießt dieses Segelglück sehr ausgiebig. Das Schiff ist ein Geschenk von sehr reichen Freunden (15000 Mark!). Ich schreibe diese Protzerei, damit Du eine Ahnung hast, welch stolzes Schiff Dein Bruder segelt.“

Einsteins Segelboot, er nannte es liebevoll „mein dickes Segelschiff“, hatten ihm Freunde zu seinem 50. Geburtstag am 14. März 1929 geschenkt. Die Freunde waren die Bankiers Henry Goldman (1857-1937), Otto Jeidels (1882-1947) und Siegfried Bieber (1873-1960).

Am 21. März 1929 bedankte sich Einstein in einem Brief an Siegfried Bieber für das Geschenk: „Lieber Herr Bieber! Es drängt mich dazu, Ihnen meinen äussersten Dank auszusprechen für das wunderbare Geschenk, das Sie, Herr Jeidels und Herr Goldmann mir zugedacht haben. […]“

In der Zeitschrift „Die Yacht“, Nr. 50/1929, wurde das Boot ausführlich beschrieben. Die Wiedergabe des Artikels und der Bilder auf dieser Internetseite (blauer Kasten) geschieht mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der Zeitschrift „Die Yacht“.

„Prof. Albert Einstein an Bord seines Jollenkreuzers, der ihm von Freunden geschenkt wurde. (Photo: A. Harms)

20-m²-Jollenkreuzer für Professor Albert Einstein

Von drei Inhabern der Berliner Handelsgesellschaft erhielt der Schiffbau-Ingenieur Adolf Harms den ehrenvollen Auftrag, ein Boot zu entwerfen, welches dem berühmten Gelehrten Albert Einstein als Geschenk zu dessen fünfzigsten Geburtstag zugedacht war.

Man einigte sich auf einen Jollenkreuzer mit Hilfsmotor und möglichst kleiner Segelfläche bei außerdem geforderter leichter Bedienbarkeit ohne jede Anstrengung.

Aus diesen Voraussetzungen entstand der nebenstehend dargestellte Entwurf, der auf der Werft von Berkholz & Gärsch unter Aufsicht des Konstrukteurs entstand und im Sommer zur vollsten Zufriedenheit an Albert Einstein abgeliefert wurde.

Verlangt wurde, dass der Motor, der mit Anlasser und Lichtmaschine versehen sein sollte, im Boot so wenig als möglich in die Erscheinung treten sollte. Aus diesem Grunde wurde vom Konstrukteur ein etwas größerer Freibord vorgeschlagen, der es gestattete, den Fußboden in der Plicht so hoch zu legen, dass der Motor vollkommen darunter liegen konnte; gleichzeitig konnte dadurch der Kajütenaufbau verhältnismäßig niedrig gehalten werden.

Entgegen der ursprünglichen Einrichtung wurde der Jollenkreuzer mit einem Toilettenraum versehen, dessen Anordnung aus dem Deckblatt hervorgeht. Dafür musste allerdings ein zu Anfang vorgesehenes Büffet wegfallen; es wurde durch ein kleineres Gläserbord und ein Bord für drei Shagpfeifen ersetzt.

Zu der Einrichtung, die im wesentlichen aus den Zeichnungen hervorgeht, sei bemerkt, dass die beiden Schränke unter dem Seitendeck an Backbord und Steuerbord für die Unterbringung von Tassen, Tellern usw. für 4 Personen ausgebaut wurden. Alles erforderliche Geschirr, Aufwaschschüsseln, Bürsten, Lederlappen usw. wurde mitgeliefert, damit das Boot auch wirklich vollständig gebrauchsfertig war.

Der Raum unter dem Achterdeck ist verschließbar und dient als Stauraum für Fender, Eimer, Reservebenzinkanne und dergleichen mehr.

20-m²-Jollenkreuzer. Linienriss. – Deckblatt für Toilettenraum.

20-m²-Jollenkreuzer. Entworfen von Schiffbau-Ing. Adolf Harms. Bau- und Einrichtungszeichnung. Länge über Alles 7,00 m, Breite auf Planken 2,35 m, Tiefgang 0,33 m, Tiefgang mit Schwert 1,25 m, Motor: 2 Zyl. F.-Z. 5/6 PS, Licht, Starter.

In der Kajüte ist an Backbord eine Anrichte eingebaut, in welcher ein Spirituskocher mit Zinkblechwanne so angeordnet ist, dass er nach Verschieben der oberen Platte der Anrichte zum Vorschein kommt und gebrauchsfähig ist und im Nichtgebrauchsfalle gar nicht zu sehen ist.

Der Motor, ein 2-Zylinder-Zweitakt-5/6-PS-F.Z., wurde so einmontiert, dass er vollkommen feuersicher ist, was dadurch erreicht wurde, dass er ringsum abgeschottet wurde. Die Schottwände wurden mit Asbest und Blech verkleidet, so dass der Benzintank, der an Backbord daneben angeordnet wurde, vollkommen davon getrennt ist. Die Lichtmaschine und der Anlassmotor befinden sich mit in dem Motorenraum.

Der Motor ist sehr leicht nach Entfernen der Bodenbretter, die von unten auch feuersicher sind, zugänglich. Der Hebel für die umsteuerbare Schraube, die in Segelstellung gestellt werden kann, ist abnehmbar, so dass er beim Segeln vollkommen verschwindet, der erforderliche Schlitz wird durch eine Messingplatte geschlossen. Die Bodenbretter sind so ausgeführt, dass der Motor bei Regenwetter nicht nass werden kann.

Der Motor hat sich bei der Überführung von Osten nach dem Westen sehr gut bewährt, er lief wie eine Nähmaschine.

Die Kajüte enthält zwei bequeme Schlafplätze mit blauen Bezügen, die in der Farbe zum Mahagoni der Inneneinrichtung sehr gut passen.

20-m²-Jollenkreuzer. Segelriss. Großsegel 16,05 m², Baumfock 3,95 m², Trysegel 8,25 m².

Das Kajütdach besteht aus zwei Lagen Holz, mit dazwischen gelegter wasserdichter Leinewand. Die untere Lage ist Ahorn, das im Verein mit den dreifach verleimten Mahagoni-Decksbalken eine gute Farbenzusammenstellung ergibt. Die obere Lage ist Mahagoni-Natur.

An Backbord ist ein geräumiger Kleiderschrank vorhanden, neben dem sich im Aufbau ein kleiner Schrank befindet, der zur Aufnahme von abnehmbaren elektrischen Positionslampen dient.

Das Boot hat sich bei jedem Wind von etwa 0 bis 10 m/Sek. unter Vollzeug gut bewährt und läuft trotz seines, für die Segel großen Gewichtes auch bei Flaute ausgezeichnet.

Es war ein besonderer Wunsch von Professor Albert Einstein, dass Hochtakelung genommen wurde. Um das Legen des Mastes zu erleichtern, sind einmal die Mastbacken so hoch angebracht, dass der Baum an diesen drehbar befestigt werden konnte und außerdem wurde hierdurch erreicht, dass das in den Mastbacken befindliche untere Ende des Mastes etwa 1,15 m lang werden und am untersten Ende ein dem Gewicht des Mastes entsprechendes Bleigewicht angebracht werden konnte. So wurde erzielt, dass der Mast sehr leicht gelegt werden kann.

Prof. Albert Einstein mit seinem Boot „Tümmler“ kurz vor dem Stapellauf.“

Albert Einstein war mit seinem Boot sehr zufrieden. Im Herbst 1929 schrieb er in einem Brief an den Schiffbau-Ingenieur Adolf Harms: „[…] Das Boot hat meine höchste Anerkennung und auch die aller, die mit ihm gefahren sind. Es vereinigt große Stabilität mit verhältnismäßig großer Beweglichkeit und Bequemlichkeit für die Bedienung.“

Rudolf Kayser, der Ehemann von Einsteins Stieftochter Ilse, schrieb 1930 in seiner Einstein Biographie unter dem Pseudonym Anton Reiser: „Während seine Hand das Ruder hält, erläutert Einstein mit Freude seinen anwesenden Freunden seine neuesten wissenschaftlichen Ideen. Er führt das Boot mit der Geschicklichkeit und Furchtlosigkeit eines Knaben. Er hisst die Segel selbst, klettert im Boot herum, um die Taue und Leinen zu straffen, und hantiert mit Stangen und Haken, um das Boot vom Ufer abzulegen. Das Vergnügen an dieser Beschäftigung spiegelt sein Antlitz, es klingt in seinen Worten und in seinem glücklichen Lachen wieder.“

Die Freude an seinem Boot sollte aber nicht sehr lange andauern.

Denn nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Januar 1933, Albert Einstein befand sich in Amerika, wurde sein kompletter Besitz von den Nazis „beschlagnahmt und zu Gunsten des preußischen Staates eingezogen“, so auch sein geliebtes „dickes Segelschiff“.

Genau genommen wurde Einsteins Jollenkreuzer zweimal beschlagnahmt, nämlich einmal vom preußischen Staat und ein weiteres Mal von der Gestapo.

Einstein hatte noch versucht sein Schiff in letzter Minute vor dem Zugriff der Gestapo zu retten, indem er Hermann Schumann, in dessen Werft in der Potsdamer Straße sich der Liegeplatz von Einsteins Jollenkreuzer befand, bat sein Boot nach Holland in Sicherheit zu bringen. Da solch eine Aktion in dieser Zeit nicht ungefährlich war, kam Schumann dem Wunsch Einsteins aber nicht nach.

Die polizeiliche Beschlagnahme des Bootes erfolgte am 12. Juni 1933. Am gleichen Tag konnte man schon in der Vossischen Zeitung folgende Mitteilung lesen:

„Einsteins Rennmotorboot beschlagnahmt. Das Rennmotorboot von Professor Einstein, das an einer Bootswerft in Caputh bei Potsdam verankert lag, wurde beschlagnahmt und für das Reich sichergestellt. Einstein soll die Absicht gehabt haben, das Boot, das einen Wert von 25000,- RM hat, ins Ausland zu verschieben.“

Erstaunlich ist, dass aus Einsteins Jollenkreuzer ein Rennmotorboot wurde und der in der Mitteilung genannte Wert des Bootes weit über dem Neuwert lag.

Obwohl er nicht an einen Erfolg dachte, hat Einstein vorsorglich, um eine mögliche Enteignung seines Besitzes nicht tatenlos hinzunehmen, seinen in Berlin lebenden Schwiegersohn Rudolf Kayser bevollmächtigt für ihn zu handeln, dies war aber vergebens.

Im Januar 1934 wurde verfügt, dass, wenn die Polizeibehörden keine Verwendungsmöglichkeiten sehen, das Boot zu verkaufen sei. Beim Verkauf sollte aber verhindert werden, „dass das Boot etwa wieder von staatsfeindlich eingestellten Personen erworben wird.“

In der Potsdamer Tageszeitung wurde am 28. Februar 1934 in einer Annonce Einsteins „Tümmler“ zum Verkauf angeboten.

„Jollenkreuzer mit Hilfsmotor, Zubehör. sofort. massiv Mahagoni, guter Zustand, 20 qm Segel, lagert Caputh, Potsdamer Straße 27. Preisangebote an Gemeindeverwaltung Caputh bis 8. März.“

Das erste Angebot in Höhe von 1200,- RM machte der Zahnarzt Dr. Wilhelm Fiebig aus Nowawes bei Potsdam Anfang März. Im Gegensatz zu den beiden folgenden Angeboten, ein Mann aus Potsdam bot 600,- RM und ein Arzt aus Berlin wollte 1000,- bis 1200,- RM zahlen, war das Angebot von Herrn Dr. Fiebig nicht mit „Heil Hitler“ unterzeichnet.

Nach Ablauf der in der Annonce genannten Frist wollte der Sportsverein der Reichsbahn den Jollenkreuzer haben. Dort sollte das Boot der Ertüchtigung des jungen Nachwuchses dienen. Der Verein bot 1300,- RM. Dr. Fiebig wehrte sich mit Erfolg gegen diese Vorgehensweise und erhöhte sein Angebot ebenfalls auf 1300,- RM. Im Mai 1934 wurde Einsteins geliebtes „dickes Segelschiff“ an Dr. Fiebig zu einem Preis von 1300,- RM verkauft.

1945 fragte Einstein in einem Brief aus dem fernen Amerika bei der Gemeinde Caputh nach dem Verbleib seines Besitzes, u.a. auch nach seinem „dicken Segelschiff“. Die Gemeinde forschte offiziell nach dem Boot. Die Nachforschungen blieben erfolglos. Die Spur des Jollenkreuzers konnte bis Ende der 30iger Jahre verfolgt werden. Was danach mit dem Boot geschah ist unbekannt und bis heute weiß niemand wo es geblieben ist.

Bildernachweis:
Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der Zeitschrift Die Yacht.

MODELL VON EINSTEINS „TÜMMLER“ – im Maßstab 1:10

Das hier gezeigte Modell von Einsteins „Tümmler“ wurde vom Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim bei der Firma Modellbau Atelier Birmann in Nürnberg in Auftrag gegeben und mit Hilfe des oben gezeigten Artikels aus der Zeitschrift „Die Yacht“, in dem das Boot mehrfach abgebildet und detailliert beschrieben ist, im Maßstab 1:10 angefertigt. Nach Fertigstellung wurde es erstmalig 2005, im Einsteinjahr, in der Ausstellung Einstein begreifen im Landesmuseum in Mannheim der Öffentlichkeit vorgestellt. Seit Mitte Mai 2006 hat es seinen endgültigen Ankerplatz in Caputh gefunden. Im Besitz des Initiativkreises Albert-Einstein-Haus Caputh, kann es in der Ausstellung Einsteins Sommer-Idyll in Caputh, im dortigen Bürgerhaus gegenüber Schloss Caputh, besichtigt werden.

Einsteins „Tümmler“,
Modell 1:10

01/24

Bildernachweis:
Mit freundlicher Genehmigung der Firma Modellbau Atelier Birmann, Nürnberg
und dem Initiativkreis Albert-Einstein-Haus Caputh

Literaturnachweis:

Michael GrüningEin Haus für Albert EinsteinBerlin 1990
Siegfried GrundmannEinsteins AkteBerlin 1998
Anton ReiserAlbert Einstein. A Biographical PortraitNew York 1930
Zeitschrift: Die Yacht20-m²-Jollenkreuzer für Professor Albert EinsteinHamburg 1929
Hrsg. Diana Kormos Buchwald,
Ze’ev Rosenkranz, József Illy, u. a.
The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 16Princeton 2021