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„… Sie können sich kaum vorstellen, wie erfreut ich darüber war und bin, dass die
Berner Naturforschende Gesellschaft meiner so freundlich gedacht hat.“

Einstein in seinem Dankesbrief für die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft, Princeton 1937

EINSTEIN UND DIE NATURFORSCHENDE GESELLSCHAFT IN BERN

Eine kurze Geschichte der Gesellschaft

„Die Naturforschende Gesellschaft in Bern (NGB) wurde im Zeitalter der Aufklärung als sichtbares Zeugnis für das wachsende Interesse an den sich stark entfaltenden Naturwissenschaften gegründet.“

Am 18. Dezember 1786 trafen sich im Haus von Jakob Samuel Wyttenbach (1748-1830), dem Pfarrer an der Kirche zum Heiligen Geist in Bern, zum ersten Mal die sieben Gründungsmitglieder der „Privatgesellschaft naturforschender Freunde in Bern“. Bei den nun wöchentlich stattfindenden Sitzungen der naturwissenschaftlich Interessierten wurden fortan u. a. neue naturkundliche Erkenntnisse vermittelt und ausgetauscht. Aus dieser privaten Gesellschaft entstand die Naturforschende Gesellschaft in Bern. 1815 wurde die Berner Gesellschaft als Tochtergesellschaft in die neu gegründete Schweizerische Naturforschende Gesellschaft (heute: Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften) integriert. Mitglieder waren in den Anfangsjahren nur Männer aus den unterschiedlichsten Berufen. Ab 1908 erschienen die ersten Frauen in den Mitgliederlisten. In Bern wurden von der Naturgeschichte bis zur exakten Naturwissenschaft Themen behandelt. So Themen der Botanik, Geologie, Geografie, Mathematik, Physik, Technik, Chemie, Meteorologie, Astronomie, Physiologie und Zoologie um nur einige zu nennen.

Naturforschende Gesellschaft in Bern, www.ngbe.ch

Eines der prominentesten Mitglieder der Berner Gesellschaft war Albert Einstein.

Albert Einstein und die Naturforschende Gesellschaft in Bern

Es war Dr. Josef Sauter (1871-1961), Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft in Bern und Kollege aus dem Patentamt, der den jungen Einstein im Herbst 1902 als Gast zu einer Sitzung der Gesellschaft einlud. Diese fand im Hotel „Storchen“ in der Spitalgasse 21 in Bern statt. Die Mitglieder, die Art der Vorträge und der anschließenden Diskussionen und Gesprächen muss Einstein gefallen haben, denn auf der Sitzung am 2. Mai 1903 wurde „Hr. Alb. Einstein, Mathematiker auf dem Patent-Amt“, wie im Protokoll vermerkt, Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft in Bern. Ein weiterer Eintrag im Protokoll dieses Abends erwähnt den Vortrag von Dr. Paul Gruner (1869-1957) der über „Neuere Untersuchungen über atmosphärische Elektrizität“ sprach. Dieser Vortrag sowie der Vortragende machten nachhaltigen Eindruck auf den jungen, wissbegierigen Einstein, der sich wahrscheinlich auch an der anschließenden Diskussion beteiligte. Anhand der Protokolle erkennt man, dass Einstein in der folgenden Zeit die Veranstaltungen der Gesellschaft regelmäßig besuchte. Am 5. Dezember 1903 hielt er erstmals selbst einen Vortrag. Er sprach vor den Mitgliedern der Gesellschaft über „Die Theorie der elektromagnetischen Wellen“. Michele Besso (1873-1955), ein Kollege auf dem Berner Patentamt und Freund wurde am 4. März 1905 auch Mitglied der Gesellschaft. Einstein hatte ihn am 18. Februar als Gast eingeführt. Besonderen Eindruck auf den jungen Einstein machte der Mediziner Professor Hermann Sahli (1856-1933), der sich neben Michele Besso aktiv an den Diskussionen beteiligte. In Sahli verband sich aufs schönste naturwissenschaftliches und philosophisches Denken. Einstein war viele Jahre später immer noch beeindruckt „von den oft wunderbaren Bemerkungen“ die Professor Sahli während der Sitzungen der Gesellschaft abgab.

In den „Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Bern, Nr. 1038“ wird auf einen weiterer Vortrag Einsteins hingewiesen:

„Sitzung vom 23. März 1907.
Abends 8 Uhr im Storchen.

Vorsitzender: Herr Ed. Fischer. Anwesend: 20 Mitglieder und Gäste.

1. Herr A. Einstein spricht „Über die Natur der Bewegungen mikroskopisch kleiner, in Flüssigkeiten suspendierter Teilchen.“
Mikroskopisch kleine, in Flüssigkeiten suspendierte leblose Teilchen (z. B. von der Größenordnung 0,001 mm Durchmesser) führen unregelmäßige Bewegungen aus, welche desto lebhafter sind, je kleiner der Teilchendurchmesser und die Viskosität der Flüssigkeit und je höher die Temperatur ist (Brown’sche Bewegung). Nach kurzer Darlegung verschiedener Erklärungsversuche wird vom Vortragenden mit Hilfe der kinetischen Theorie der Wärme auf elementarem Wege eine einfache Formel für die von den Teilchen zurückgelegten Wegstrecken abgeleitet. (Autoreferat.)
Weiteres darüber siehe: Ann. d. Physik 4. 17 1905, pag. 549. Ann. d. Physik 4. 19 1906, pag. 371.

2. Herr W. Rytz spricht über „Beiträge zur Kientaler-Pilzflora.“ (Siehe die Abhandlungen dieses Bandes.)“

Nach Einsteins Vortrag und zu seiner Freude waren es wieder Professor Hermann Sahli und Michele Besso, die sich besonders aktiv an der anschließenden Diskussion beteiligten.

Während des Festaktes am 9. Dezember 1936 in der Aula der Hochschule, anlässlich des 150jährigen Jubiläums der Naturforschenden Gesellschaft, wurden Albert Einstein und andere Persönlichkeiten zu Ehrenmitgliedern ernannt. Einstein wurde die Ehrenurkunde zugeschickt, der sich gleich nach deren Erhalt in einem Schreiben an den damaligen Präsidenten der Gesellschaft, Professor der Zoologie Fritz Richard Baltzer (1884-1974), bedankte.

Abschrift von Albert Einsteins Ehrenurkunde der Naturforschenden Gesellschaft in Bern, 1936:

Unterschrieben von Hans Adrian als Sekretär der Gesellschaft sowie von Fritz Richard Baltzer, dem Präsidenten.

Abschrift des Dankesbriefes Einsteins anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft:


„Princeton 4.1.37.

Herrn Prof. F. Baltzer, Bern.

Hoch geehrter Herr Kollege!

Sie können sich kaum vorstellen, wie erfreut ich darüber war und bin, dass die Berner naturforschende Gesellschaft meiner so freundlich gedacht hat. Es war sozusagen eine Botschaft aus den Tagen einer längst entschwundenen Jugend. Die gemütlichen und anregenden Abende steigen wieder auf in meinem Gedächtnis und besonders die oft wunderbaren Bemerkungen, die Prof. Sahli, der innere Mediziner zu den Vorträgen zu machen pflegte. Ich habe das Dokument gleich einrahmen lassen und als Einziges von allen Anerkennungen entsprechender Art in meinem Studierzimmer aufgehängt als Erinnerungszeichen an meine Berner Zeit und die dortigen Freunde.
Ich bitte Sie der Gesellschaft meinen herzlichen Dank zu übermitteln und ihr zu sagen, wie hoch ich die mir erwiesene Freundlichkeit schätze.
An Sie persönlich glaube ich mich auch noch gut zu erinnern. Es ist mir, als wenn ich von Ihnen einen interessanten Vortrag über die Decken – Ueberschiebungs – Theorie gehört hätte, bin aber nicht ganz sicher.
Mit freundlichem Dank und aller Hochachtung

Ihr

A. Einstein.“


In dem Brief verwechselt Einstein in seiner persönlichen Erinnerung Vater und Sohn. Es war nicht der amtierende Präsident der Gesellschaft Fritz Richard Baltzer, sondern dessen Vater, der Geologie und Mineraloge Armin Richard Baltzer (1842-1913), der 1907 den von Einstein erwähnten Vortrag „Über die neue Theorie des Alpenaufbaues (Deckentheorie)“ gehalten hatte.

Die Kontakte zur Naturforschenden Gesellschaft und zu einzelnen Mitgliedern pflegte Einstein im Briefwechsel noch weit über die Berner Jahre hinaus. Seine Mitgliedschaft in der Naturforschenden Gesellschaft in Bern endete erst mit seinem Tod am 18. April 1955.

Literaturnachweis:

Hrsg. John Stachel, David C. Cassidy, Jürgen Renn, Robert SchulmannThe Collected Papers of Albert Einstein, Volume 2Princeton 1989
Hrsg. Martin J. Klein, A. J. Kox,
Robert Schulmann
The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 5Princeton 1993
Max FlückigerAlbert Einstein in BernBern 1974
Ann M. Hentschel, Gerd GraßhoffAlbert Einstein „Jene glücklichen Berner Jahre“Bern 2005