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Biografie

„Die Buben sind da und hausen in meinem Spandauer Schloss. Ich pendle so hin und her zwischen der Stadtwohnung und dem Schloss, das sich im Gegensatz zu meiner Jacht als wasserdicht erweist.“

Albert Einstein an Hermann Anschütz-Kaempfe, 25. Juli 1922

Einsteins „Spandauer Schloss“

Auch heute ist noch weitgehend unbekannt, dass Albert Einstein eine kurze Zeit lang ein „Laubenpieper“ war. *)

Bereits im September 1920 bat Einstein seine Frau Elsa, sie möge sich um den Erwerb eines Sommerhauses an einem See und um ein Segelboot kümmern. Beide Wünsche sollten sich aber erst 1929 erfüllen.

Zurück zum „Laubenpieper“ Einstein.

Anfang der 20er-Jahre (1921) pachtete Einstein mit seiner Frau eine Parzelle, bestehend aus einem kleinen Grundstück mit einem kleinen Häuschen in der Spandauer Kleingartensiedlung Boxfelde, Burgunderweg 3. Die Kleingartensiedlung gehört zum Ortsteil Pichelsdorf von Spandau. Die Siedlung, die sich heute Bocksfelde schreibt, liegt an der „Scharfen Lanke“, einer malerischen Bucht der Havel. Da die Strandpromenade mit ihren Bootsstegen und Segelclubs nicht allzu weit entfernt war, konnte er auch seiner großen Leidenschaft, dem Segeln, nachgehen. Am 28. August 1921 schrieb Einstein an seine erste Frau Mileva Einstein-Maric: „Ich habe nun ein Gartenhäuschen in Spandau am Wasser, in dem ich die Buben zur wärmeren Jahreszeit stets beherbergen kann, ohne dass jemand von der hiesigen Familie dazu kommt.“

Er nannte seine Laube liebevoll sein „Spandauer Schloss“.

1 Einsteins „Spandauer Schloss“, 2017
Noch heute sieht das Häuschen so aus wie zu Einsteins Zeiten

Einstein zog sich gerne in sein „Spandauer Schloss“ zurück, wo ihn niemand störte.

Albert Einstein genoss während der Sommermonate die Idylle seiner Laube und verbrachte dort u. a. gemeinsam mit seinen Söhnen aus erster Ehe, Hans Albert und Eduard, 1922 deren Sommerferien. Während die Buben in seinem „Schloss“ hausten, pendelte Einstein zwischen seiner Stadtwohnung und dem „Schloss“ hin und her. Elsa war wahrscheinlich eher selten dort, weil es ihr zu klein und unkomfortabel war. Wenn doch, dann hielt sie es höchstens ein bis zwei Tage dort aus.

Zeitzeugen haben berichtet, dass Einstein auch Kontakt zu anderen Pächtern pflegte.

Am 4. März 1922 schrieb Einstein an seine Buben Hans Albert und Eduard: „Ich habe unterdessen ein allerliebstes Segelschiff mit einem Segel in tadellosem Zustand gekauft, sodass unser Zusammensein auf dem sogenannten Schloss prächtig werden wird.“ Dieser tadellose Zustand stellte sich aber als Irrtum heraus. Das Boot leckte und musste aufwändig repariert werden. An Hermann Anschütz-Kaempfe schrieb Einstein am 16. Juli 1922: „Meine Lisa (Segelschiff) liegt immer noch ganz besoffen am Ufer und wartet darauf, bis der wortbrüchige Schiffbauer, der uns heute noch obendrein ausgelacht hat, sich ihrer erbarmt.“

Häufig segelte er mit seinem Segelboot über die Havel. So schipperte er auch zu seinem ungarischen Freund und Arzt Janos Plesch (1878-1957) nach Gatow in dessen Landsitz, der Villa Lemm, wo er Zeitzeugen nach auch Geige spielte. In die Villa Lemm „flüchtete“ Einstein auch am 14. März 1929, um dem Rummel und den Gratulanten zu seinem 50. Geburtstag zu entgehen.

Bei all seinen „angenehmen“ Aktivitäten vernachlässigte er den kleinen Garten sträflich. Die Gartenarbeit bereitete ihm keine große Freude, so dass der Garten verwilderte. Das Gras, die Blumen, das Unkraut und sonstige Gewächse sprossen unkontrolliert. Ein Schrebergarten war aber nicht nur zum Ausruhen und Entspannen gedacht. Es musste auch nach den Statuten der Schrebergärtner dafür gesorgt werden, dass die gepachtete Parzelle gepflegt wurde.

Die Folge war ein Schreiben des Bezirksamts Spandau, in dem man Einstein drohte, die Parzelle anderweitig zu verpachten. In dem Schreiben vom 12. September 1922 heißt es: „[…] das Unkraut hat sich auf der ganzen Parzelle verbreitet, […] Der Zaun ist z. T. nicht in Ordnung, und die ganze Parzelle macht einen unschönen Eindruck. Wir müssen annehmen, dass Sie an der Pachtung dieser Parzelle kein Interesse mehr haben und werden dieselbe vom 1. Oktober 22 ab anderweitig verpachten, […] Wir bitten Sie, für Beseitigung des gegenwärtigen Zustandes Sorge zu tragen und uns weitere Mitteilung zu machen.“

Einstein gelobte daraufhin Besserung. Am 23. September 1922 schrieb er an das Bezirksamt: „[…] Wir werden naechstes Fruehjahr den Zaun wie auch den Garten in Ordnung bringen lassen, […] Ich moechte jedoch ausdruecklich erwaehnen, dass wir auch weiter an der Pachtung der Parzelle das groesste Interesse haben.“

Es ist davon auszugehen, dass Einstein den Garten im Frühjahr 1923 hat in Ordnung bringen lassen.

Am 25. Juni 1923 kündigte das Bezirksamt Spandau Einstein seine Parzelle in Boxfelde, bot ihm aber gleichzeitig an, bei veränderten Konditionen (deutliche Erhöhung des Pachtpreises) den Vertrag, um ein Jahr zu verlängern. Bei Interesse sollte Einstein dies innerhalb der nächsten 14 Tage mitteilen. In dem Schreiben heißt es: „[…] Wir kündigen Ihnen daher das Pachtverhältnis zum 30. September 1923. Bei Zahlung eines Pachtpreises von […] sind wir bereit, den Vertrag auf ein weiteres Jahr zu verlängern und ersuchen, uns Ihr Einverständnis innerhalb 14 Tagen mitzuteilen.“

Man geht davon aus, dass Einstein die Antwort auf diesen Brief direkt seiner Sekretärin diktiert hat, die diese dann in Kurzschrift auf den Umschlag geschrieben hat.

Im Auftrag des Autors hat Dr. Jascha-Alexander Koch vom Stenografenverein 1897 Langen E. V. die Aufgabe übernommen, die Kurzschrift zu transkribieren. Demnach hat Einstein seiner Sekretärin Folgendes diktiert (zeilengenaue Übertragung):

„Ich bin bereit[,] einen Vertrag zu unterzeichnen,
unter den (von Ihnen in Ihrem Schreiben vom) …
angegebenen Bedingungen. Die Verspätung dieser Mitteilung
bitte ich zu entschuldigen mit Rücksicht darauf, dass
ich bis vor wenigen Tagen von B[erlin] abwesend war.“

Der Brief an das Bezirksamt Spandau mit Einsteins Antwort ist jedoch nicht aufzufinden; vielleicht wurde er auch nicht geschrieben bzw. abgeschickt. Das Letztgenannte könnte stimmen, da in Einsteins schriftlichem Nachlass und in der einschlägigen Literatur nach dem Brief vom 25. Juni 1923 nichts mehr über Einsteins „Spandauer Schloss“ zu finden ist!

Wie oft der „Laubenpieper“ Einstein in seinem „Schloss“ war, ist nicht bekannt. Häufig kann es nicht gewesen sein, da er in der Boxfelder-Zeit neben seiner Arbeit in Berlin oft auf längeren Reisen war (Japan, Spanien, Niederlande, Schweden, …).

Auch ist nicht bekannt, wann und von wem der Pachtvertrag letztlich gekündigt wurde, d. h. wie lange Einstein ein „Laubenpieper“ war! Ein wahrscheinliches Datum ist der 30. September 1923.

Seit dem 14. März 2011 (Einsteins 132. Geburtstag) erinnert eine von einem Stahlbügel gefasste Edelstahl-Gedenktafel in der Wochenendsiedlung Bocksfelde an Albert Einsteins Zeit an der „Scharfen Lanke“.

2 Gedenktafel für Albert Einstein, 2017

Die Gedenktafel zeigt neben einem Porträt Einsteins die Bildunterschrift: „Nobelpreisträger Albert Einstein (1879 – 1955)“ mit folgendem Text:

„Ab 1922
war der Nobelpreisträger
Albert Einstein Pächter
in unserer Kolonie.
Seine Laube im Burgunderweg 3
nannte er liebevoll
”Mein Schloss”
Einstein-Zitat aus dieser Zeit:
”Mein Schlösschen erweist
sich wasserdichter als meine
Segeljolle.”
Wochenendsiedlung und Wassersportvereinigung Bocksfelde e.V. 2011“

*) „Laubenpieper ist eine (scherzhafte) Bezeichnung für den Besitzer eines Kleingartens (mit einer Gartenlaube), wobei das genutzte Grundstück im übertragenen Sinn oft Laube genannt wird.“ Quelle: Wikipedia

02/24

Bildernachweis:

Christine Hüttner, Potsdam: Abb. 1, 2

Literaturnachweis:

Hrsg. Diana Kormos Buchwald,
Ze’ev Rosenkranz, Tilman
Sauer, u. a.
The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 12Princeton 2009
Hrsg. Diana Kormos Buchwald,
József Illy, Ze’ev Rosenkranz,
u. a.
The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 13Princeton 2012
Hrsg. Diana Kormos Buchwald,
József Illy, Ze’ev Rosenkranz,
u. a.
The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 14Princeton 2015
Albrecht FölsingAlbert Einstein – Eine BiographieFrankfurt/Main 1993
Hubert GoennerEinstein in BerlinMünchen 2005
Dieter HoffmannEinsteins BerlinBerlin 2018
WWVB e.V.Bocksfelder Geschichte(n), (1919-1997)Berlin